Fr 04.04.25 bei Alles wird schön, Friedrich-Naumannstraße 27, 21075 HH-Harburg-Heimfeld, 19 Uhr. S-Bahn Heimfeld. Eintritt frei, Hutkasse.
Ulrich Lubda liest ausgewählte Lyrik und Prosa von

1. seiner Tante Gertrud „Dudu“ Bloch, 1905-42, Euthanasieopfer der Nazis, Stolperstenverlegung 2024
2. Frank „Lenny“ Böhnke, 1961-ca.1986, Conterganopfer, Schauspieler und Szenekünstler in Harburg
3. Hans-Werner Krunke (Frank Dohl), 1941-1992, schwuler Lehrer und Schriftsteller in Harburg und Hamburg
4. Volker Maaßen, 1943-2020, Frauen- und Krebsarzt in Harburg, Dichter in Harburg und Hamburg

Gertrud „Dudu“ Bloch 1905-1942
Für meine Großtante wurde schließlich im August 2024 auf Initiative einer deutsch-amerikanischen Verwandten in ihrer Heimat im Weserberland ein Stolperstein gesetzt. Sie war die Tochter des Juden Hans Bloch und einer Schwester meiner Großmutter mütterlicherseits. Sie wurde als eine attraktive, lebenslustige, eigenwillige und wahrscheinlich hochsensible junge Frau mit ausgeprägter Kreativität geschildert. Sie tanzte, musizierte und schrieb Gedichte. In noch jungen Jahren wurde sie auf einer selbständigen Zugfahrt „aufgegriffen“ und als psychisch auffällig in eine Heilanstalt gesteckt. Damals begann ihre Odyssee durch verschiedene Einrichtungen, aus denen sie nicht mehr herauskam. Zweifach ausgegrenzt geriet sie in das Vernichtungsprogramm
(T4) der Nazis und wurde im zweiten Weltkrieg ermordet.

Frank „Lenny“ Böhnke 1961-ca.1986
Daß die Mißbildungen von Neugeborenen durch den Wirkstoff Thalidomid im Schlafmittel Contergan in Deutschland lange nicht ernst genommen wurden, hatte mit den Euthanasie-und Vernichtungsaktionen (T4) der Nazis zu tun.
Frank Böhnke, der sich später Lenny nannte, war ein solches Contergan-Opfer mit äußerlich sichtbaren Mißbildungen, die ihn zunächst aber nicht schwerwiegend behinderten. Ich lernte ihn als verhaltensauffälligen aber überdurchschnittlich intelligenten Schüler kennen und später als kreatives und eifriges Mitglied meiner Freien Theatertruppe schätzen. Er machte sich einen Namen in der Szene als Schauspieler und Aktionskünstler auf Straße und in Kneipen und er engagierte sich auch bei sozialen Aufgaben. Trotz allem litt er spürbar seelisch an seiner Behinderung, die ihn nur wenig Freunde und vor allem keine Partnerin finden ließ. Er suchte Trost im Alkohol. Plötzlich schreckte uns eines Tages die Nachricht auf, daß sein Auto an den massiven Pfeilern der neuen S-Bahnbrücke über die Cuxhavener Straße zerschellt war. Er hat den Unfall nicht überlebt.

 

Hans-Werner Krunke (Frank Dohl) 1941-1992
Unter dem Pseudonym Frank Dohl (Dohle heißt auf tschechisch und polnisch „kavka“, Anspielung auf Franz Kafka) schrieb mein früherer Kollege und Freund Hans-Werner Krunke mindestens einen Roman und mehrere Erzählungen.
Er stammte aus NRW, war in Kopenhagen verheiratet. Ende der 1970er lud er mich in die Gründungsgruppe der Hamburger „Literaturpost“ von Frederike Frei ein, wo wir einige Jahre zusammen arbeiteten. Zu dieser Zeit begann er, sich als schwuler Autor zu outen. Er infizierte sich mit HIV und bekam mehrere Folgeerkrankungen, denen er schließlich erlag. Schon als kranker Mann besuchte er mich und meine krebskranke Frau in der Heide, unternahm ausgedehnte Waldspaziergänge und wir führten lange Gespräche über Literatur. Er starb im Winter 1991/92, ein Jahr vor meiner Frau.

 

Volker Maaßen 1943-2020
stammte aus Kiel und war Gynäkologe und Krebsarzt sowie Klinikchef in Hamburg-Harburg. Er schrieb aber auch Kinderbücher und Geschichten übers Segeln, vor allem aber und zum Teil auch satirische „Lyrik auf Rezept“. Als er die Krebserkrankung einer langjährigen Lebenspartnerin von mir erfolgreich behandelte, lernten wir uns kennen, über das Schreiben ernsthafter engagierter Gedichte vertiefte sich der beiderseitige Kontakt und wurde zur Freundschaft. Ich weiß, daß er sich das oft bittere Schicksal seiner Patientinnen sehr zu Herzen nahm. Kurz vor seinem plötzlichen Tod nach Schlaganfall und Herzinfarkt ersuchte mich Volker eine Reihe seiner Texte mit dem Titel „Zanshin“ ins Englische zu übertragen bzw. „nachzudichten“. Sein Wunsch ist mir Vermächtnis.