Die Tür

von Tom von Borstel (10 Jahre, Grundschule Marmstorf)

Als ich an einem Sonntagmorgen bei meinem Opa auf den Dachboden geklettert bin, um mal wieder mein Lieblingsspiel „Backgammon“ zu holen, habe ich in einer Ecke eine Tür entdeckt, die ich vorher noch nie gesehen hatte. Neugierig bin ich zu der Tür hingegangen, um sie zu öffnen, aber sie ging nicht auf. Ich rüttelte an der Tür, aber sie war fest verschlossen. Enttäuscht wollte ich schon wieder gehen, da entdeckte ich, dass ein verrosteter, grauer Schlüssel oben auf der Tür lag. Ich sprang ein paar Mal hoch, um den Schlüssel runterzuholen. Erst beim siebten Sprung habe ich den Schlüssel mit dem rechten Zeigefinger erwischt und er fiel direkt vor meine Füße. Ich nahm den Schlüssel und steckte ihn in das Schloss. Der Schlüssel passte und ich schloss vorsichtig die Tür auf. Langsam öffnete ich die Tür.
Ein grelles Licht schien mir ins Gesicht. Ich kniff erschrocken die Augen zusammen und öffnete sie langsam wieder. Nun blickte ich von der Seite auf eine Stadt, die nur ein paar hundert Meter entfernt vor mir lag. Ich sah einen Eisladen mit einem Springbrunnen davor und daneben einen kleinen Park. Langsam und neugierig ging ich über die große Wiese zum Park mit dem Eisladen.
Als ich am Laden vorbeikam, sprach mich der Verkäufer an, ob ich eine Kugel Eis möchte. Ich sagte: „Ja, gerne. Aber ich habe kein Geld dabei.“ Da sagte der Eisverkäufer freundlich: „Du brauchst nichts zu bezahlen. Welche Sorte möchtest du?“ Ich antwortete: „Das ist ja nett von Ihnen. Ich hätte gerne eine Kugel Waldfrucht. Vielen Dank.“ Er gab mir die Kugel Eis. Ich bedankte mich noch einmal und ging weiter in den Park.
Ich sah fröhliche Kinder, die zusammen spielten. Nachdem ich den Kindern ein wenig beim Spielen zu geguckt hatte, bemerkte ich, dass im Park kein Müll herumlag. Noch nicht mal Zigarettenstummel.
Auf einmal kam ein kleiner, nett aussehender Junge zu mir. Er war ungefähr in meinem Alter. Er fragte wie ich heiße. Ich antwortete „Ich heiße Tom“ und fragte ihn wie er heißt. Er hieß Timm.
Ich fragte Timm: „ Wo bin ich hier?“. Timm sagte: „ Du bist im Land ohne Probleme!“ „Wie, ohne Probleme?“ fragte ich erstaunt. Timm erklärte mir, dass es hier in seiner Welt keinen Krieg und keine Umweltverschmutzung und keine umweltschädlichen Autos gibt. „Cool!“, sagte ich. „Finde ich auch cool!“, erwiderte Timm. „Seit wann gibt es die Welt und wie bist du hierhergekommen?“, fragte ich weiter. „Das weiß keiner so genau, seit wann es diese Welt hier gibt. Ich bin durch eine Kellertür gegangen und bin mit meiner Familie dann hierher gezogen, weil wir es hier schöner fanden“, antwortete er.
Ich dachte, dass ich hier auch gern wohnen würde, aber irgendwie finde ich es zu Hause schöner. Ich fragte weiter: „Kannst du wieder zurück in die alte Welt?“ „Nein. Wenn man länger als 24 Stunden hier bleibt, verschwindet die Tür automatisch und man kann nicht wieder zurück. Aber ich will auf gar keinen Fall wieder zurück, weil es in meinem alten Land Krieg gab“, erklärte Timm mir.
Timm erzählte mir noch viel über diese Welt ohne Probleme. Zum Beispiel, dass es hier nur eine Sprache gibt und alle die hierherkommen, sprechen die gleiche Sprache. Oder dass hier alle Kinder zur Schule gehen können, auch die Kinder, die aus einem Krieg kommen, so wie er, oder eine andere Religion haben. Gut fand ich auch, dass es kein Geld gibt, denn jeder arbeitet für jeden. Jetzt verstand ich auch, warum ich beim Eisladen nicht bezahlen musste.
Ich erklärte Timm, dass ich nun zurück zu meinem Opa muss. „Aber ich komme dich nächste Woche Sonntag wieder besuchen. Es war schön dich kennengelernt zu haben“, sagte ich zu ihm. Er antwortete: „Ich fand es auch schön, dich kennengelernt zu haben. Wir können uns ja nächste Woche am Eisladen treffen.“
Ich lief zurück über die Wiese und rief noch ein letztes Mal: „Tschüss, Timm.“ Dann öffnete ich die Tür und schon war ich wieder auf dem Dachboden.
Ich war glücklich und zufrieden, dass ich einen neuen Freund hatte, der in einer richtig coolen Welt wohnte, und ich freute mich ihn nächste Woche wieder zu sehen. – Tom von Borstel

 

„Die Tür“: So lautete das Motto eines Schülerschreibwettbewerbs, den die Heimfelder Schreibwerkstatt unter der Leitung von Kerstin Brockmann veranstaltet hat. Eingegangen sind 45 beeindruckende Geschichten, die von einer fachkundigen Jury beurteilt wurden. Nun stehen die Sieger fest!

In der Kategorie der Drittklässler errang Valentina Grbavac mit ihrem Text über einen Familienausflug ins Süßigkeitenlabyrinth den ersten Platz. Bei den Viertklässlern überzeugte Tom von Borstel aus der Grundschule Marmstorf. In seiner Geschichte entdeckt ein Junge auf dem Dachboden eine Geheimtür, durch die er in eine Welt ohne Probleme gelangt. Zum Schluss will er aber ins Hier und Jetzt zurück – weil er bei seinem Opa bleiben möchte.
Ein topaktuelles Thema behandelt der Siegerbeitrag bei den Fünftklässlern: Nikita Ustinow beschreibt die Türen des Friedrich-Ebert-Gymnasiums, die er seit der coronabedingten Schulschließung schmerzlich vermisst. Den ersten Preis bei den älteren Schülern erhielt Benjamin Rommel. In seiner Geschichte „Das Leben des Nachtauge“ geht es um eine dramatische Vater-Sohn-Beziehung, bei der es einem Luchs gelingt, durch eine Reise ins alte Rom seinen toten Papa zu neuem Leben zu erwecken.

Die Preisverleihung, die für den 9. Mai geplant war, wird wegen der Corona-Pandemie auf Anfang Herbst verschoben. „Trotzdem dürfen sich alle Kinder schon jetzt auf ein spannendes Buch freuen, das ihnen per Post zugeschickt wird“, sagt Initiatorin Kerstin Brockmann. „Dankeschön auch an den Bezirk Harburg, der die Preise spendiert hat, und an den Stadtteilverein Heimfeld. Der Wettbewerb war eine schöne Abwechslung in dieser schwierigen Zeit. Er hat die Türen der Phantasie geöffnet und uns damit einander näher gebracht.“

Kerstin Brockmann